Inwieweit haben Sie versucht, seine Art zu schreiben auf Ihren Film zu übertragen?
Ich musste in Franz K. stilistisch und narrativ meinen eigenen Zugang zu Kafka finden, der - für mich - mit seinem Schreiben und auch mit seiner Persönlichkeit übereinstimmt. Ich wollte diese Verspieltheit zum Ausdruck bringen, die im Gegensatz zu dem allgemeinen Klischee von Kafka als einem düsteren, finsteren Typ steht, was meiner Meinung nach nicht stimmt. Er sollte ein bisschen was von einem Punk haben, und nicht nur ernst und traurig sein. Ich mag ich es nicht, wenn Adaptionen oder Interpretationen seiner Werke ihn stets als eine Art makabres Insekt darstellen, das sich im Dunkeln versteckt, denn so war er nicht.
Worauf haben Sie in der Bildsprache wert gelegt?
Eine weitere Überlegung war, die Struktur offen zu halten, ähnlich wie in der Quantenphysik, wo Zeit und Raum nicht offensichtlich und linear sind. Auf eine ähnliche Weise bezieht sich auch Kafkas Denken immer auf etwas, das jenseits des Verstandes und jenseits des Herzens liegt. Sein Intellekt scheint völlig losgelöst von der normalen Psychologie. Deshalb gibt es in dem Film realistische Szenen, die etwa seine komplizierte Beziehung zum Vater beschreiben, wie wir sie kennen, aber seine Empfindsamkeit und seine Gefühle sind für uns nie ganz zugänglich. Sie bleiben ein Mysterium.
Letztes Jahr, zum 100. Todestag, gab es bereits zahlreiche Ansätze, Kafkas Leben und Werk neu zu interpretieren. Haben Sie Bedenken, dass Ihr Film in der Hinsicht etwas zu spät kommt?
Ich hatte nicht das Gefühl, einen Film passend zum Jubiläum zu machen. Ich habe nicht im Kalender nachgeschaut. Lange Zeit wollte ich den Film sogar „Auf der Suche nach Franz“ nennen, weil mich die Person mehr interessierte als Kafka, der Schriftsteller. Vielleicht sind die Leute jetzt ein wenig gelangweilt, wenn sie seinen Namen hören. Aber ich hoffe nicht.
1981 haben Sie Kafkas „Der Prozess“ für das polnische Fernsehen adaptiert. Was haben Sie bei der Arbeit an dem Projekt gelernt, das Ihnen jetzt bei FRANZ K. geholfen hat?
Ich habe den Film damals zusammen mit meinem Ex-Mann inszeniert, und ich finde, wir haben ziemlich gute Arbeit geleistet. Vielleicht war es sogar eine der gelungensten Interpretationen von „Der Prozess“, die ich je gesehen habe. Für mich persönlich war es ein unglaubliches intellektuelles Abenteuer, den Roman zuerst zu dekonstruieren und dann wieder zu rekonstruieren. Ich empfand es als eine sehr dynamische Versuchsanordnung. Wie gesagt, ich denke bis heute, dass es keine hinreichende Interpretation von seinem Werk gibt, die man ad acta legen könnte. Bei Kafka ist nichts jemals endgültig.
Er war ein Mann der Anfänge, hatte aber immer Schwierigkeiten, Dinge zu Ende zu bringen. Können Sie das persönlich mit Blick auf Ihre eigene Arbeitsweise nachvollziehen?
Die Enden in meinen Filmen sind meist auch offen. Nur sehr selten sind sie absolut. Zumindest für mich sind die meisten meiner Filme auch nicht fertig. Dagegen sind Kafkas Werke viel mehr in sich geschlossen.
Was machte ihn zu Ihrem Seelenverwandten, wie Sie es gerne formulieren?
Die Tatsache, dass er in sich einen großen Widerspruch verkörperte. Deshalb empfinde ich diese Zärtlichkeit ihm gegenüber. Seit meiner Jugend wollte ich ihn immer irgendwie beschützen. Ich hatte den Eindruck, dass er wie ein kleiner Bruder ist, um den ich mich kümmern muss. Aber warum? Einerseits war er in seinem Denken und Schreiben völlig revolutionär und unkonventionell, andererseits wollte er unbedingt dazugehören. Er war kein Rebell, kein Revoluzzer. Er hatte einen normalen Job und bemühte sich ernsthaft, ein konventionelles bürgerliches Leben zu führen. Es hat jedoch nicht funktioniert. Aber er war niemand wie zum Beispiel Arthur Rimbaud, der französische Dichter, über den ich 1995 einen Film gedreht habe. Rimbaud war ein echter Aufrührer. Er wollte der Welt beweisen, dass er anders ist als alle anderen. Er kämpfte gegen das Establishment, von dem Kafka so verzweifelt akzeptiert werden wollte. Nur war das unmöglich.
Trotz der Verspieltheit, die Sie zuvor erwähnt haben, gibt es im Film auch eine konfrontative Folterszene aus Kafkas Erzählung „In der Strafkolonie“. Warum war Ihnen diese Szene wichtig?
Ich fand, dass sie sehr realistisch, sogar drastisch dargestellt werden musste, um zu zeigen, wie die Menschen damals seine Texte wahrgenommen haben. Sie waren schockiert, und ich wollte dieses Gefühl beim Kinopublikum wieder hervorrufen. Als die Erzählung erstmals veröffentlicht wurde, hat man sie nicht wirklich verstanden. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie als ein Beispiel für seine prophetischen Fähigkeiten wiederentdeckt. Zu dieser Zeit lasen auch viele existentialistische Schriftsteller und Philosophen wie Albert Camus oder Jean-Paul Sartre seine Werke, weil Kafka nicht nur das Gefühl der Entfremdung aufgrund der industriellen, kapitalistischen, entmenschlichenden Gesellschaft einfing, sondern auch die totale Entmenschlichung und Verachtung, die in „In der Strafkolonie“ so anschaulich zum Ausdruck kommt. Ich wollte diesen Aspekt aufgreifen, weil wir heute erneut in eine sehr ähnliche Zeit eintreten, in der die Gewalt und der Hass unter den Menschen wieder zunimmt. Es ist eine Warnung.