Das Herz Ihrer Geschichte – ein Frauenpaar, das sein erstes Kind erwartet – ist
von Ihrer persönlichen Erfahrung inspiriert. Warum haben Sie daraus das
Thema Ihres ersten Films gemacht?
Alice Douard: Um ein fehlendes Bild zu schaffen. Wie Céline, meine Heldin, erwartete ich mein erstes Kind, ohne es selbst auszutragen – und musste es adoptieren. Diese Situation warf viele Fragen auf, meine eigenen ebenso wie die vieler anderer. Es gab keine Vorbilder, an denen ich mich hätte orientieren können. Also wollte ich diese Bilder erschaffen und erzählen, was unsere Art, eine Familie zu gründen, wirklich bedeutet. Ich wollte sowohl ihre Einzigartigkeit als auch ihre Alltäglichkeit zeigen und eine Darstellung fernab gängiger Fantasien anbieten. Von Anfang an war mir wichtig, dass der Film zugänglich ist und jede:r sich darin wiederfinden kann. Es ist ein Versuch der Versöhnung in einem Raum, in dem es viel Gewalt gegeben hat.
Haben Sie daran gedacht, einen Dokumentarfilm zu drehen?
Nein, das ist nicht mein Hintergrund. Ich habe an der Fémis Regie studiert, meine Kurzfilme waren immer fiktional. Dennoch habe ich viel recherchiert und viele Frauenpaare getroffen, die dieselbe Erfahrung gemacht haben – manche vor dem „Taubira“-Gesetz, andere danach. Für alle war die Verbindung von rechtlicher Anerkennung und Mutterschaft eine Herausforderung. Heute ist das Gesetz anders: Seit 2021 können Frauen eine pränatale Anerkennung abgeben, während wir den Adoptionsweg gehen mussten. Das war mühsam, aber auch eine Chance – denn vor 2013 gab es die Möglichkeit einer legalen Familie schlicht nicht! Ich habe die Geschichte bewusst in jener Zeit angesiedelt und meine Figuren als Pionierinnen erzählt. Der Adoptionsweg ist dabei sowohl dramaturgisch stark als auch eine Realität, die sichtbar gemacht werden muss.
15 LIEBESBEWEISE knüpft an Ihr Kurzfilmdebüt L'ATTENTE an, das 2024 einen
César gewann. Ist er als Erweiterung dessen gedacht?
Es sind zwei eigenständige Filme mit einem gemeinsamen Thema. Den Kurzfilm
habe ich in einer geschlossenen Welt angesiedelt – der Entbindungsstation – und die wenigen Stunden bis zur Geburt erzählt. Der Langfilm zeigt ein anderes Paar, ihre Intimität, die Blicke der anderen und ihren rechtlichen Weg. Er ist breiter angelegt, politischer, mit vielen Figuren und auch einem Blick auf Generationsfragen.Gemeinsam ist beiden Filmen die Bewegung hin zur Geburt und die Universalität von Elternschaft.
Warum haben Sie erneut die Perspektive der Frau gewählt, die nicht schwanger ist?
Weil es ein Figurenporträt ist. Mit Jacques Girault, dem Kameramann, haben wir viel über den Blickwinkel diskutiert: Aus welcher Distanz filmen wir Céline, folgen wir ihr oder beobachten wir sie? Diese Entscheidungen schaffen Empathie und
Identifikation. Céline ist eine Figur in Bewegung – ich habe Ella Rumpf gesagt:
„Deine Figur setzt sich nicht hin.“ Für mich war der Film wie ein Zug in Fahrt. Céline bereitet sich auf ihr Kind vor und sucht sich Zeuginnen und Zeugen, um ihre „Liebesbeweise“ vorzulegen.
Erlaubt diese Perspektive auch, Geschlechterrollen in Frage zu stellen?
Ja. Céline steht in gewisser Weise auf der Seite der Väter: Sie selbst ist nicht
schwanger, erlebt die Geburt von außen. Anders als Männer hätte sie das Kind aber austragen können. Gerade das macht die Begegnungen mit männlichen Figuren interessant – in dieser geteilten Erfahrung verschwimmt das Geschlecht.
Wird der Film nicht auch durch Céline’s Zeug:innenkreis universell? Jeder von
ihnen sagt ihr, was es heißt, eine „gute Mutter“ zu sein.
Alle haben eine Meinung über Mutterschaft. Jenseits der speziellen Situation von Céline und Nadia gibt es einen gesellschaftlichen Druck, eine „gute Mutter“ zu sein – das betrifft alle Frauen. Genau darin liegt auch die Universalität des Films: in der Beobachtung jeder werdenden Elternperson.


