Pamela Jahn: THE SECRET AGENT spielt in Brasilien zur Zeit der Militärdiktatur. Warum beziehen Sie sich speziell auf das Jahr 1977?
Kleber Mendonça Filho Der Zeitpunkt liegt weit genug zurück, um den Film als Historienstück gelten zu lassen. Gleichzeitig ist die Handlung dadurch nah genug an meiner eigenen Biografie dran, damit ich der Geschichte eine persönliche Note geben kann. Ich bin Jahrgang 1968, also in den 1970er Jahren aufgewachsen, aber meine Kindheit erscheint mir im Nachhinein wie verschwommene Erinnerung. Bei den Achtzigern ist das anders, wenn ich daran denke, habe ich klare Bilder im Kopf, weil ich damals bereits ein Teenager war. Alles davor ist ein großer Wirrwarr aus verschiedenen Gerüchen und Texturen und einer bestimmten Atmosphäre. Der Film will diese Idee vermitteln. Ich sehe darin für mich eher die Rekonstruktion eines Zeitgefühls als ein historisches Set-Piece.
Haben Sie als Kind auch viele Filme geschaut?
Ja, ich war schon damals ein kleiner Cineast. Dafür gibt es einen bestimmten Grund: 1977/78 war meine Mutter sehr krank, sodass mein Onkel mich und meinen Bruder oft ins Kino mitnahm, um uns aus dem Haus zu locken. Erst Jahre später habe ich verstanden, warum er das tat. Aber es hatte einen großen Einfluss auf mein Leben. In GOODFELLAS gibt es diesen schönen Satz: „Soweit ich mich zurückerinnern kann, wollte ich immer Gangster werden.“ Ich habe mir immer gewünscht, Regisseur zu sein.
Wie stark ist Ihre Erinnerung an die Zeit der Diktatur?
Ziemlich stark. Aber was mich meistens an den Filmen stört, die über die Zeit erzählen, ist, dass sie sich vordergründig auf die Gewalt konzentrieren, die Folterszenen, die Verfolgungen, die Angst. Oder man sieht eine Gruppe junger Leute, die eine Bank ausrauben, um den Widerstand zu finanzieren. Das hat mich nicht interessiert.
Sondern?
Ich erinnere mich an ganz bestimmte Details: Zum Beispiel an die Hausmädchen – sie arbeiteten in verschiedenen Familien in unserer Nachbarschaft, und eine davon war meine Babysitterin. Einmal standen sie alle zusammen in einer kleinen Gruppe draußen auf der Straße, als ein Mann von der Marine im Auto angefahren kam. Er trug seine weiße Uniform mit Hut, und die Frauen waren hin und weg. Aber nach der Diktatur verlor das Militär so viel Respekt, dass der Anblick eines Soldaten in voller Montur genau das Gegenteil bewirkte. Die Leute sagten: Schafft diesen Idioten hier weg.
Gab es noch andere Ereignisse, die Ihnen hängengeblieben sind?
Ja, wie ich im Wohnzimmer spielte, während die Erwachsenen sich unterhielten. Manchmal wurden die Unterhaltungen leiser, dann flüsterten sie einander zu. Auch was das angeht, wurde mir erst viel später klar, warum und wieso. Das Gleiche gilt für die Freitagsmärsche in der Schule. Obwohl ich keine Militärakademie besuchte, mussten wir uns einmal die Woche wie Soldaten im Hof aufstellen und unsere Hand jeweils auf die Schultern des Vordermanns legen. Es war lächerlich. Allein die Aktion wäre schon fast genug Stoff für einen Film. Ich wollte ihm das Image eines klassischen Helden verleihen
Apropos sexy Marine-Offiziere: Was macht Wagner Moura für Sie mit der Figur von Marcelo?
Die Bedeutung von Stars wie ihm ist historisch gesehen wichtig für die Entwicklung des Kinos. Das habe ich zum ersten Mal bei den Dreharbeiten zu AQUARIOUS verstanden, als ich mit Sonia Braga zusammengearbeitet habe. Es mag naiv erscheinen, aber ich hatte keine Ahnung, wie sehr sie den Film allein mit ihrer Ausstrahlung beeinflussen würde, bis ich sie durch die Kamera sah und dachte: Wow, darum geht es also. Denn in natura wirkt sie lediglich wie eine schöne und elegante ältere Dame von heute. Aber wenn man durch den Sucher blickt, ist da plötzlich mehr. Charisma oder, ich weiß nicht. Ich habe es einfach akzeptiert.
Ist Marcelo ein Held im klassischen Sinn?
Ich wollte ihm das Image eines klassischen Helden verleihen, mit einer Ausnahme. Der Haken ist, dass die Figur keine Waffe trägt oder schießt. Es war die einzige Bedingung, die ich mir und Wagner selbst auferlegt habe.
Warum?
Weil Marcelo einfach ein Mann ist, der versucht, seinen Werten treu zu bleiben. Es scheint verrückt, dass er allein deshalb um sein Leben fürchten muss. Aber ist doch sehr nah an der Realität, in der wir heute leben.


