Viele Wohnungen auf engem Raum, schnell gebaut und bezahlbar. Im Nachkriegseuropa schossen allerorts Plattenbauten empor. Einer dieser Orte ist Cité Gagarine im französischen Ivry-sur-Seine, wo die Geschichte von Youri spielt, Raumfahrt-Enthusiast und Namensvetter des russischen Weltraum-Pioniers Juri Gagarin, nach dem die Siedlung benannt wurde. Youri ist der gute Geist des Viertels. Er kennt hier jeden Winkel und jeden Menschen. Mit seinen besten Freund*innen Houssam und Diana versucht er, dessen Verfall aufzuhalten. Neue Wandfarbe, ein Gemüsegarten oder bunte Disco-Lichter statt kaputter Fahrstuhllampen.
Als die Stadt wegen Baumängeln mit Umbauplänen anrückt, wird auch Youris Gebäude geräumt. Youri aber bleibt und bereitet Gagarine auf seine letzte Reise vor. Die soll nicht gen Erdboden, sondern ins All gehen.
GAGARIN erzählt als märchenhafte Parabel von Veränderungen und Auswirkungen sozialer Stadtplanung. Für Youri ist die Sozialbausiedlung alles. Sozusagen sein Universum. Seine Mutter wohnt bei ihrem neuen Partner und der Jugendliche muss alleine klarkommen. Er streift durch Gänge, Keller, über Baustellen und trifft zwischen den Häuserschluchten die Bewohner*innen. Die Hoffnungsvollen, die Gemeinschaftssport auf dem Dach organisieren und die weniger Glücklichen. So wie Youris Sehnsucht nach dem All mit der bedrohlichen Realität des Abrisses verschmilzt, geht die retro-futuristische Architektur mit Youris Fantasien in anmutige Bilder auf. Gagarine wird zum Raumschiff.
Zwischen den Spielszenen führen Archivmaterial und Zitate aus Baubegehungen in die Geschichte des Stadtteils. Das Regie-Duo Fanny Liatard und Jérémy Trouilh kannte die Cité Gagarine bereits von einem dokumentarischen Projekt, bevor 2019 die Umgestaltung des Viertels begann. GAGARIN ist ihre Hommage an den Mikrokosmos Plattenbau. (INDIEKINO Magazin, 08/2024)