Pamela Jahn: Herr Rúnarsson, Sie haben an anderer Stelle angedeutet, dass dieser Film für Sie sehr persönlich ist ...
Rúnar Rúnarsson: Ich möchte dazu nur sagen, dass er zwei Freunden gewidmet ist, die viel zu früh von dieser Welt gegangen sind. Sie hatten einen enormen Einfluss auf mein eigenes und das Leben anderer Menschen. Ohne sie hätte ich diesen Film niemals gedreht. Aber wenn Sie jetzt fragen: Ist es ihre Geschichte oder eine Geschichte, die mit ihnen verflochten ist? Dann muss ich sie enttäuschen. Ich unterscheide nicht mehr zwischen dem, was ich aus erster Hand erfahren habe, dem, was ich aus zweiter Hand erfahren habe, und dem, was Fiktion ist, weil das nicht relevant ist.
Wie wirkt sich diese Art der Herangehensweise auf Ihren Schreibprozess aus?
Für mich ist es wichtig, mich von der Wirklichkeit inspirieren zu lassen. Alles, worüber ich schreibe, basiert auf eigenen Begegnungen, Erlebnissen oder Erfahrungen aus zweiter Hand, gemischt mit fiktionalen Elementen. Das ist der Treibstoff für meine Arbeit. Es ist wichtig, dass ich mich in diesem kreativen Rahmen bewege, denn sonst empfinde ich das Schreiben als pure Konstruktion, es langweilt mich. Mich interessieren die grundlegenden menschlichen Elemente, die uns verbinden. Ich beobachte, wie ich mich selbst und wie sich die Menschen um mich in diesen Situationen reflektieren. Man könnte es vielleicht eine spezielle Art von Handwerkskunst nennen.
Verfolgen Sie eine ähnliche Kunstfertigkeit auch beim Regieführen?
Ja. Ich liebe das Kino und möchte, dass die Dinge auf der Leinwand gut aussehen und sich gut anfühlen. Aber wir sollten immer versuchen, die Töne, die Bilder und das Drehbuch zu nutzen, um gemeinsam etwas zu vermitteln, nicht nur um etwas zeigen oder festzuhalten. Hinter den Bildern muss ein Gedanke stehen, und es sollte immer auch ein bisschen Poesie in die Realität miteinfließen, die wir darstellen wollen.
Wie strikt halten Sie sich bei der Inszenierung an Ihr Drehbuch?
Es ist immer ein Drahtseilakt: Man möchte offen für Veränderungen bleiben und gleichzeitig seiner ursprünglichen Vision treu bleiben. Es geht also darum, die richtige Balance zu finden, offen zu bleiben, Lösungen finden und dabei das Wesentliche von dem zu bewahren, was man erreichen möchte. Nicht zu unterschätzen ist dabei allerdings auch die spontane Magie, die während der Dreharbeiten entsteht.
Wie der Zauber des Lichts?
Ja, das Licht hat eine enorme Bedeutung. Der Film spielt im Frühsommer in Reykjavik, und die sogenannte „magische Stunde“ dehnt sich dort im Vergleich zu weiter nördlich gelegenen Orten ziemlich aus. Je länger sie dauert, desto besonderer ist das Licht zu dieser Zeit.
Sie erzählen im Film die Geschichte eines trauernden Mädchens im Teenageralter. Gleichzeitig hinterfragt der Film den Umgang mit Geschlechterrollen ...
Ich sehe mich selbst als Humanist. Das Geschlecht ist mir egal. Es spielt für mich keine Rolle. Wir sind alle Menschen. Aber seltsamerweise gibt es immer noch nicht genug Geschichten über junge Frauen. Ich bin privilegiert, denn ich habe drei ältere Schwestern und eine Mutter, eine Frau und eine Tochter. Sogar meine Produzentin ist weiblich, ebenso wie meine Kamerafrau. Generell arbeite ich lieber mit Frauen, weil sie sensibler sind. Sie sind weiser und ausgeglichener in ihren Emotionen. Ich möchte dazu beitragen, dass ihre Geschichten erzählt werden.