Pamela Jahn hat mit Thomas Arslan für das INDIEKINO Magazin über seinen jüngsten Film VERBRANNTE ERDE gesprochen.
Pamela Jahn: Herr Arslan, Ihr Film IM SCHATTEN, in dem die Hauptfigur Trojan zum ersten Mal auftaucht, liegt 14 Jahre zurück. Was hat Sie dazu bewogen, die Geschichte jetzt weiter zu erzählen?
Thomas Arslan: Die Idee einer „Trojan“-Trilogie hat sich erst aus der Arbeit an diesem zweiten Teil entwickelt. Ich hatte Lust, zu schauen, was sich aus der Figur machen lässt, wo die Geschichte hinführen kann. Andererseits war es für mich, zumindest was das Filmemachen anbelangt, auch eine Rückkehr nach Berlin. In der Hinsicht geht es mir ganz ähnlich wie der Hauptfigur.
Was haben Sie sich von dieser Rückkehr erhofft?
Man schaut noch mal ganz anders auf seine Umgebung, wenn es darum geht, einen Film zu machen, als wenn man einfach nur den Alltag durchmisst. Klar ist, dass Berlin sich im Vergleich zu 2010 drastisch verändert hat. Und es hat mich gereizt, diesem Wandel eine Form zu geben.
In welcher Hinsicht hat sich die Stadt für Sie am meisten verändert?
Aus filmischer Sicht ist das Drehen extrem bürokratisch geworden. Aber das ist natürlich nur ein lästiger Nebenaspekt. Ich lebe seit 1986 in Berlin. Seitdem hat sich einiges getan. Alarmierend ist, dass die Stadt für große Teile der Bevölkerung immer unwirklicher wird, aufgrund der gestiegenen Mietpreise und der vielen neuen Eigentumswohnungen, die nur für eine bestimmte Klientel erschwinglich sind. Das führt dazu, dass sich ganze Stadtteile im Hinblick auf die Bevölkerung nach und nach komplett austauschen. Das ist schon extrem. Das Geld, das man aufbringen muss, um hier zu leben, unterscheidet sich eigentlich kaum noch von Städten wie München oder Hamburg. Und diese Entwicklung wirkt sich unweigerlich auch auf die Kulturszene aus. Zwar sind das alles Aspekte, die im Film keine explizite Rolle spielen. Aber sie bestimmten die Atmosphäre.
Ist die Stadt über die Jahre für Sie zumindest architektonisch interessanter geworden?
Nein, weil doch vieles von dem, was jetzt neu gebaut wird, sehr ähnlich aussieht. Diese ganzen kleinen Mini-Stadtviertel, wie etwa die Europacity, entsprechen einer Art von Architektur, die edel daherkommt, aber sehr uniform ist. Dagegen gab es in der Vergangenheit Phasen, in denen in Berlin spannender gebaut worden ist, wie zum Beispiel im Rahmen der internationalen Bauausstellung in den späten 1980er Jahren. Das soll nicht heißen, dass Berlin heute visuell uninteressant ist, aber das Stadtbild wird immer gleichförmiger.
Macht es das schwerer, geeignete Drehorte zu finden?
Grundsätzlich ja. Aber in dem Fall nicht, weil es mir speziell darum ging, das zunehmend Gesichtslose der Stadt zu zeigen. Die Herausforderung bestand darin, mich zu zwingen, noch einmal ganz anders auf Berlin zu schauen. An Schauplätzen zu drehen, die ich sonst nicht unbedingt filmen würde. Dazu gehört zum Beispiel auch das Museum, das eigentlich gar nichts mehr von einem Ausstellungsort hat, weil die Kunstwerke alle in Kisten verpackt sind. Das Museum war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten ein dysfunktionaler Ort, der sich in einem Übergangsstadium befand.
Was macht in diesem speziellen Setting die Figur Trojan für Sie aus?
Die Figur ist inspiriert von Halbromanen wie die „Parker“-Reihe von Richard Stark (alias Donald Westlake), Dan J. Marlowe oder Gary Disher. Deren Geschichten sind grundsätzlich auf Fortsetzungen angelegt. Man erfährt dabei aber eigentlich kaum etwas über die Hauptfigur, sondern es geht vordergründig immer nur um den neuen Fall, die Durchführung und Probleme eines neuen Projektes. Mir gefällt diese Art von Serialität.
Neben Trojan spielt die Fluchtfahrerin Diana eine wichtige Rolle im Film – eine klassische Genrefigur, die Marie Leuenberger extrem gut ausfüllt.
Ja, ich wollte eine weibliche Figur im Team haben, die Trojan auf Augenhöhe begegnet. Bei IM SCHATTEN handelte es sich dabei noch eher um eine Art Teilzeitkomplizien. Aber für Diana in VERBRANNTE ERDE ist es ihr Job, auch wenn sie offiziell als Testfahrerin arbeitet. Mir war wichtig, dass sie auf einer Ebene agieren.
Alexander Fehling wirkt dagegen fast ein bisschen gegen den Strich gecastet. Man erwartet ihn nicht als „Bad Guy“.
Stimmt. Wir haben gar nicht so viel drüber gesprochen, aber von meiner Seite aus war das schon so: Er sieht sehr smart aus, kann aber auch ganz anders. Es ist interessant, wenn das Smarte bei ihm plötzlich ins Gefährliche kippt.
Was macht für Sie den Reiz am Genre aus?
Für mich ist Genre-Kino immer eine Art Verabredung mit dem Zuschauer. Das Publikum hat eine gewisse Vorkenntnis, was bestimmte Muster anbelangt. Es herrscht eine Vertrautheit. Gleichzeitig will man als Regisseur keinen Film machen, der das nur noch einmal rekapituliert, was es ohnehin schon gibt. Worauf es ankommt, ist, innerhalb der bekannten Schemen und Schablonen Raum für Variationen zu schaffen und für neue Ideen.
Aber wie gelingt einem das?
Ich konzentriere mich immer auf die körperlichen Aktionen. Das ist für mich auch in anderen Filmen ein Ansatzpunkt: Menschen bei der Arbeit zu zeigen. Was bedeutet es, einen solchen Job vorzubereiten? Wie geht so ein Raub tatsächlich über die Bühne? Und wie kommt man überhaupt nachts in ein Museum hinein? Diese logistischen Vorgänge sind für mich sehr wichtig, auch während des Schreibprozesses.
Mišel Matičević ergänzt das perfekt mit seinem stoischen Spiel.
Ja, er ist, wie ich, nicht in erster Linie an Psychologie interessiert. Als wir uns über das Drehbuch unterhielten, sprachen wir hauptsächlich über die Körperlichkeit der Figur.
Auch was das Tempo angeht, hat man bei Ihren Filmen immer ein bisschen das Gefühl, dass Sie in einem anderen Takt tanzen als viele Ihrer Kolleg*innen. Empfinden Sie das ähnlich?
Das kann sein, obwohl ich mir das nicht explizit vornehme. Aber ich wollte zum Beispiel hier keine klassischen Action-Fluchtfahrten filmen, bis auf so einen kurzen Moment, wo es mal ein bisschen schneller wird. Ansonsten ist es eher ein Gleiten durch die Stadt. Das hat auch viel mit der Figur von Diana zu tun, die einfach cool ist, die die Nerven behält und nicht zwangsläufig losrasen muss, sondern die den Wagen einfach taktisch durch die Straßen manövriert. Solche Sachen sind natürlich vom Interesse her immer sehr individuell. Aber ja, es ist durchaus möglich, dass in mir unbewusst ein anderer Rhythmus pulsiert, den ich für mich persönlich bevorzuge.
Der Film ist sehr düster, ein Großteil der Szenen spielt in der Nacht. Welchen Einfluss hat das Licht auf die Geschichte?
IM SCHATTEN hatten wir hauptsächlich bei Tageslicht gedreht. Diesmal wollte ich die Unwirtlichkeit der Stadt stärker forcieren. Das war einer der Gründe, viele Szenen in der Nacht spielen zu lassen. Die neuen Digitalkameras machen das möglich. Damit ist man in der Lage, in jeder dunklen Ecke zu drehen. Außerdem haben wir im frühen Winter gedreht, weil wir dann längere Nächte hatten. Es ging mir darum, eine Balance zu finden, zwischen einer gewissen Stilisierung einerseits, ohne dass die Orte komplett in der Dunkelheit verschwinden.
Die zunehmende Digitalisierung spielt auch im Film eine konkrete Rolle. Warum war es Ihnen wichtig, diesen Aspekt einzubauen?
Das hat in erster Linie mit der Hauptfigur zu tun. Trojan ist ein Typ, der aus der Zeit gefallen ist und auf ein verändertes Umfeld trifft. Einer, der, was seine Arbeit anbelangt, analoge Jobs gewohnt ist und bevorzugt. Jobs, in denen es um Bargeld, Schmuck oder andere wertvolle Gegenstände geht. Aber diesmal benötigt er, um in das Museum einzusteigen, einen Computer-Nerd an seiner Seite, der andere Skills hat als er.
Wie kommen Sie persönlich als Regisseur mit der Digitalisierung zurecht?
Sagen wir es einmal so: Ich bin, anders als Trojan, kein Fortschritts-Skeptiker.
Sehen Sie die rasanten Fortschritte im Bereich von KI in diesem Zusammenhang eher als Innovation oder als Gefahr?
Dazu habe ich noch keine eindeutige Haltung. Gefahren gibt es schon. Vor allem, wenn man bedenkt, wie „Deepfake“-Technologien die eigene Wahrnehmung verzerren und zunehmend negativ genutzt werden. Dafür muss es Regelungen geben, und zwar relativ schnell. (INDIEKINO Magazin, 06/2024)