Pamela Jahn: Was hat Sie daran gereizt, das Märchen vom Aschenputtel aus Sicht der Stiefschwester zu interpretieren?
Emilie Blichfieldt: Ich habe mir die Rolle der Stiefschwester nicht ausgesucht. Sie hat mich gefunden. Die Idee kam mir während eines kreativen Powernaps. In meiner Vorstellung sah ich eine junge Frau auf einem Pferd mit dem Prinzen davonreiten. Dann schauten beide nach unten, und Blut tropfte aus ihrem Schuh. Als ich aufwachte, war ich schockiert, mich mit einer Figur zu identifizieren, für die ich zuvor nie Empathie empfunden hatte. Im Gegenteil, ich hatte sie verachtet, verspottet und sogar ausgelacht. Plötzlich konnte ich ihre Scham spüren; die Verzweiflung, einem Schönheitsideal entsprechen zu wollen - und daran zu scheitern. In dem Moment wurde mir klar: Auch ich bin die Stiefschwester, so wie alle anderen. Jede von uns will in den Schuh passen. Und ich habe mich gefragt, warum.
Worin liegt Ihrer Ansicht nach das Problem?
Zum Teil sicher darin, dass wir bisher keine Gelegenheit hatten, die uns kulturell zugeschriebene Frauenrolle wirklich zu dekonstruieren. Gerade wenn es um Schönheitsideale geht, ist man schnell in der Opferfalle, wie Elvira. Jemand sagt dir, dass du hässlich bist. Das führt oftmals zu einer gefährlichen Selbstobjektivierung. Es wird Teil der eigenen Identität. Irgendwann weiß man nicht mehr: Tue ich das für mich? Tue ich das wegen des Drucks von außen? Und wenn man dieses Selbstbewusstsein verliert, wird es gefährlich.
Wie kann man vermeiden, in die Falle zu tappen?
Natürlich sollten Frauen am Ende nicht wie Männer aussehen oder sich wie Männer verhalten. Ich persönlich liebe es, sowohl meine weibliche als auch meine maskuline Seite zu erforschen, in der Art wie ich mich kleide und in der Welt bewege, wie ich mich ausdrücke. Ein weiterer Punkt, den ich für wichtig halte, ist: Was wir im 17. Jahrhundert schön fanden, ist nicht dasselbe wie heute. Schönheitsideale ändern sich ständig, es ist ein Konstrukt.