Pamela Jahn: Herr Stumm, in der Eingangssequenz Ihres neuen Films erzählen verschiedene Menschen vor der Kamera Witze. Welcher gefällt Ihnen persönlich am besten?
Fabian Stumm: Ich kann mich schwer entscheiden. Ich glaube, der mit dem Oktopus, obwohl er sehr lang ist. Die Frau, die ihn erzählt, ist meine Mutter. Sie ist die Komikerin in unserer Familie. Aber sie vertut sich, wie man sieht, gerne mal in der Pointe.
Was steckt hinter der Idee zu SAD JOKES?
Zugespitzt könnte man sagen, der Film ist aus einer gewissen Not heraus entstanden. Nachdem mein Regiedebüt KNOCHEN UND NAMEN so viel Zuspruch gefunden hatte und ich damit viel auf Reisen war, habe ich oft Ratschläge von Leuten bekommen, die schon weiter sind in diesem Beruf. Alle wollten mir sagen, was ich jetzt machen soll, worauf ich achten muss. Das hat mich irgendwann überfordert. In der Zeit habe ich angefangen, nebenbei kleine Skizzen zu machen, Notizen zu schreiben, manchmal nur Dialogfetzen festzuhalten, wenn ich nachts alleine im Hotelzimmer lag. Ich habe gemerkt, dass mir das Halt gab. Und nach einer Weile hat sich aus diesen losen Gedanken eine neue Geschichte geformt.
Was wurde Ihnen konkret geraten?
Mir wurde ganz oft gesagt: Der zweite Film, der wird die Hölle. Wenn der nicht sitzt, dann bist du gleich wieder weg vom Fenster. Daraus entstand letztendlich auch die fiktive Figur des Filmemachers Joseph in SAD JOKES, der bei seinem Produzenten sitzt und ihm zu erklären versucht, was er als nächstes machen will.
Hatten Sie Angst vor dem sogenannten Zweiter-Film-Syndrom?
Absolut, weil mir das Regieführen extrem viel Freude bereitet. Deshalb wollte ich nicht lange warten, auf die richtige Gelegenheit, den richtigen Stoff, das tollste Angebot. Für mich war es wichtiger, in meinem Tempo weiterzumachen und wieder mit den Leuten zusammenzuarbeiten, die ich kenne, denen ich vertraue.
Haben Sie sich nach KNOCHEN UND NAMEN diesmal bewusst für einen internationalen, weniger sperrigen Titel entschieden?
Nein, ich fand einfach, der Titel passt sehr gut. Aber ich weiß, worauf Sie anspielen. Bei KNOCHEN UND NAMEN gab es nach der Berlinale-Premiere im Kino International ein Q&A. Eine Frage aus dem Publikum lautete: „Gibt es noch die Möglichkeit, den Titel zu ändern?“ Der Zuschauer fand, es würde dem Film sonst das Genick brechen. Aber zu dem Zeitpunkt hatte ich mich schon in den Titel verliebt, gerade weil er so trocken und seltsam klingt. Erst wenn man sich den Film anschaut, versteht man, was er bedeutet. Ich mag es gern, wenn Sachen doppeldeutig und nicht auf den ersten Blick klar zu durchschauen sind.
Sie haben es schon erwähnt, im Zentrum von SAD JOKES steht ein Filmemacher, der an seinem neuen Projekt arbeitet. Wie autobiografisch ist der Film wirklich?
Ich finde es spannend, dass die Leute immer davon ausgehen, es sei alles eins zu eins. Was stimmt, ist, dass ich mir tatsächlich den Finger gebrochen habe, gleich nach dem zweiten Festival, auf dem KNOCHEN UND NAMEN lief. Ich bin dann die ganze Tour immer mit diesem Verband an der Hand rumgelaufen, musste sogar operiert werden, weil es ein komplizierter Bruch war. Aber das war eine der wenigen wahren Situationen. Ich habe mir beim Spielen mit meinem Hund den Finger gebrochen, nicht in einem Automaten. Und fast alles, was um Joseph herum passiert, ist natürlich komplett erfunden.
Joseph und Sonya leben zusammen, aber sie sind kein gewöhnliches Paar. Beide sind durch eine enge Freundschaft und ihren kleinen Sohn Pino verbunden, den sie gemeinsam aufziehen. Was steckt hinter diesem ungewöhnlichen Beziehungsmodell?
Das ist die andere große Parallele zur Realität. Ich unterstütze meine beste Freundin, die alleinstehend ist, bei der Erziehung ihrer zwei Kinder. Als sie schwanger war, haben wir uns zusammengesetzt und besprochen, wie das funktionieren kann. Die Situation ist eine andere, weil ich nicht der leibliche Vater bin, wie Joseph im Film. Meine Freundin ist auch nicht depressiv. Aber die Kinder sind ein extrem wichtiger Teil meines Lebens. Der kleine Justus, der in SAD JOKES meinen Sohn spielt, ist einer der beiden.
Am Ende gibt es vielleicht doch mehr Berührungspunkte mit Ihrem eigenen Leben, als Sie sich selbst eingestehen wollen?
Ich würde das so beschreiben: Für mich funktionieren diese kleinen biografischen Anhaltspunkte ähnlich wie Sprungbretter, die mich in andere Richtungen hin zu neuen Ideen und Geschichten katapultieren. Ich frage mich manchmal, ob das daran liegt, dass ich Regie und Drehbuch nie studiert habe, sondern ich immer nur für mich privat geschrieben habe. Momentan ist das einfach mein Weg: Mich in meinem eigenen Leben umzuschauen, zu beobachten, was um mich herum passiert, und einzelne Elemente davon so zu fiktionalisieren, dass das Publikum sich damit identifizieren kann.