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"True Story" oder doch eher Fiktion? - Die Debatte um DER SALZPFAD

In den letzten Tagen ist eine Diskussion darum entbrannt, in welchem Maße Buch und Film DER SALZPFAD auf Tatsachen basieren. Eine Zusammenfassung der Debatte und Links zu Quellen findet ihr hier.

Mit Filmen "nach einer wahren Geschichte" ist es immer so eine Sache. Da die Realität sich nicht an Spannungsbögen hält, wird meist verdichtet, verschoben oder dazuerfunden. Die Realität vor der Kamera enspricht notwendigerweise nicht der historischen Realität. Timothée Chalamet ist nicht Bob Dylan, so wenig wie Gillian Anderson Raynor Winn aus DER SALZPFAD ist.

Andererseits evoziert die Ankündigung, dass es sich um eine "true story" oder eine autobiografische Erzählung handelt, das Versprechen, dass zumindest die groben Eckdaten, das Fazit oder der emotionale Kern der Geschichte einer historischen oder subjektiven Wahrheit entsprechen.

Im Fall vom Roman "Der Salzpfad", der die Vorlage für den gleichnamigen Film lieferte, steht dieser ungeschriebene Vertrag zwischen Autorin und Leserin gerade in Frage. In ihrem Bestseller schrieb Raynor Winn über ihre Erfahrungen auf einer Wanderung mit ihrem an CBD, einer unheilbaren degenerativen Neuropathie, erkrankten Mann Moth entlang des South West Coast Path. Zu den zentralen Punkten der Erzählung gehört, dass die Winns nicht freiwillig wandern, sondern aufgrund einer leichtfertigen Investition in das Projekt eines Freundes obdachlos sind, und dass sich auf der Wanderung Moth' gesundheitlicher Zustand verbessert.

Am 5.7. erschien eine Recherche im britischen Observer, die die Umstände, unter denen Raynor und Moth Winn (aka Sally und Tim Walker) damals ihr Haus verloren, in Frage stellte - so sei nicht eine Investition sondern die Veruntreuung von Geldern die Ursache für die Insolvenz des Paares. Auch würden die beiden über ein Grundstück in Frankreich verfügen, seien also nicht wirklich obdachlos gewesen. Zudem zitierte der Artikel Mediziner*innen, die sich über Moth' gesundheitliche Diagnose wunderten. Zahlreiche Medien griffen die Geschichte auf, so auch die Süddeutsche Zeitung oder die FAZ.

Der Penguin Verlag und die Produktionsfirmen des Films, Number 9 Films und Shadowplay Features, ließen in Statements wissen, dass sie keine Zweifel am Wahrheitsgehalt der Geschichte hatten und "die nötige Vorsicht" bei der Herausbringung hätten walten lassen. Eine geplante Lesereise sagte Raynor Winn erstmal ab.

Inzwischen hat Raynor Winn eine Gegendarstellung auf ihrer Webseite veröffentlicht, in der sie auch den Hass beschreibt, der ihr nach der Veröffentlichung entgegenschlug: "Over the past few days, I have had vitriol poured on me from all quarters, along with threats directed at me, my family, and our children." Zu den Vorwürfen des Observer-Artikels nimmt sie im Einzelnen Stellung, so hätten etwa die beruflichen "Missgeschicke" nichts mit der späteren Investion und dem Verlust des Hauses zu tun, und das Grundstück in Frankreich sei unbewohnbar. Zudem fügt sie Arztbriefe an, die sich auf die Krankheit ihres Mannes beziehen.

Relevante Filme

Der Salzpfad

Nachdem ihre Farm gepfändet wurde, wandern Ray und Moth den South West Coast Path an der britischen Küste entlang.

Läuft ab Donnerstag