Das Land, in dem Mahin aufgewachsen ist, gibt es so nicht mehr. Ist das eine Frage des Alters oder der politischen Entwicklungen? Beides.
Mit 70 Jahren lebt Mahin (Lily Farhadpour) im heutigen Iran, während ihre Tochter mit den Enkelkindern weit weg in Europa ist und ihr schöne Kleider schickt, für die Mahin keine Anlässe findet. Bis sie eines Tages überlegt, dass sie noch nicht zu alt ist, um noch einmal aufzubegehren. Die meisten ihrer gleichaltrigen Freundinnen sind alleinstehend, auch Mahins Mann starb als Arzt im Krieg. Aber warum nicht einmal kühn sein und bei einem fremden Mann vorne auf dem Beifahrersitz Platz nehmen? Als Mahin in einem Rentnerrestaurant mithört, dass der Taxifahrer Faramarz (Esmail Mehrabi) auch 70 und Single ist, trifft sie eine Entscheidung. Es entspinnt sich eine bittersüße, späte Beziehung, die den Moment lebt und ohne das Morgen auskommt.
Das liegt nicht zuletzt an Mahin, die alle ihre Gedanken und Ideen zum Altern, zur Liebe und zum iranischen Regime offen ausspricht. Als sie auf einem Spaziergang eine junge Frau vor der Sittenpolizei schützt, sagt die, Mahin hätte Glück gehabt, dass sie vor der Revolution geboren sei – als figurbetonte Mode, Musik zum Tanzen und Händchenhalten im Park noch an der Tagesordnung waren. Erinnerungen daran werden in Mahin wach und schaffen gleichzeitig ein Bewusstsein dafür, welche Freiheiten nicht selbstverständlich sind, im Iran und anderswo.
Auf der diesjährigen Berlinale konnte das Regie-Duo Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeh nicht einreisen, nachdem das iranische Regime ihre Pässe konfisziert und ein Reiseverbot verhängt hatte; Auszeichnungen der Fipresci-Jury und der Ökumenischen Jury als besten Wettbewerbsfilm gab es trotzdem und zu Recht. (INDIEKINO Magazin, 06/2024)