Pamela Jahn: Herr Fehlbaum, Sie sind gebürtiger Schweizer, Jahrgang 1982. Wann und wie haben Sie zum ersten Mal von den Ereignissen um die Olympischen Sommerspiele in München 1972 erfahren?
Tim Fehlbaum: Ob es das erste Mal war, kann ich gar nicht sagen. Aber 1999 habe ich im Kino den Dokumentarfilm ONE DAY IN SEPTEMBER von Kevin McDonald gesehen, der mich extrem beeindruckt hat. Darin zeigt er einen Teil der Berichterstattung, die der TV-Sender ABC an jenem Tag gesendet hat. Für mich war das ein Schlüsselerlebnis, wenn auch vielleicht eher in Bezug auf die formalen Aspekte und McDonalds dokumentarischen Ansatz. Der Film funktioniert wie ein Thriller – nur eben einer, der im echten Leben spielt.
Es gibt heute noch Augenzeugen, die an dem Tag vor Ort dabei waren. Mit wem haben Sie für Ihren Film gesprochen?
Die Hauptinspiration für mich, den Film überhaupt zu machen, war ein Gespräch, das ich mit Geoffrey Mason geführt habe. Er war damals der Koordinator der Olympischen Spiele für ABC. Seine Sicht auf die Ereignisse während dieses 22-stündigen Berichterstattungs-Marathons hat mich sehr beeindruckt. Daneben gab es noch zwei weitere Augenzeugen: Jimmy Scheffler, der das Filmmaterial an den Polizisten vorbeigeschmuggelt hat, und Sean McManus, der Sohn des Fernsehmoderators Jim McKay. Sean war bis vor kurzem der Leiter von CBS Sports. 1972 war er als Teenager in München mit dabei, als sein Vater im Studio nebenan live berichtete.
Der Film thematisiert das ethische Dilemma, mit dem Journalisten konfrontiert sind, wenn sie über Krieg, Terror oder andere tragische Ereignisse berichten. Die Fragen sind heute die gleichen wie damals: Was ist richtig, was ist falsch? Was darf man zeigen, was geht zu weit
Diese Fragen lassen sich nicht einfach beantworten, und das war auch nicht unsere Absicht. Das würde ich mir gar nicht anmaßen. Spannend fand ich aber vor allem zwei Gesichtspunkte, die indirekt da mit reinspielen: Zum einen die technischen Herausforderungen in dem provisorischen TV-Studio. Dazu gehört auch die Arbeitsweise der Reporter, die damals eine ganz andere war als heute. Es war eine analoge Welt. Aber nicht nur das. Zum anderen hatte das ABC-Team vor Ort keine Erfahrung mit der Berichterstattung über einen Terroranschlag. Es waren Sportjournalisten, die innerhalb kürzester Zeit ihr ganzes Mindset ändern mussten. Das gab uns Gelegenheit, im Film eine unvoreingenommene, fast unschuldige Perspektive einzunehmen und genau die Fragen zu stellen, die Sie angesprochen haben. Die Antworten muss jeder für sich finden.