Patrick Heidmann: Ms. Glass, gleich Ihr Debütfilm SAINT MAUD sorgte 2019 für einiges Aufsehen. Danach hätten Sie sicherlich das eine oder andere Mainstream-Angebot annehmen oder auf Nummer sicher gehen können. Stattdessen ist Ihr zweiter Film LOVE LIES BLEEDING nun eine ziemlich wilde, ungestüme und durchaus mutige Angelegenheit. Das muss man sich als gerade durchstartende Regisseurin erst einmal trauen, oder?
Rose Glass: Ehrlich gesagt habe ich mir darüber gar nicht zu sehr den Kopf zerbrochen. Hätte ich strategisch über meine Karriere nachgedacht, wäre ich vielleicht vorsichtiger oder vernünftiger gewesen und tatsächlich auf Nummer sicher gegangen. Aber ich war so begeistert von den Reaktionen, die ich für SAINT MAUD bekommen hatte, dass ich mich ein wenig wie in einem Rausch befand. Filme zu drehen ist mit so vielen Unsicherheiten und Zweifeln verbunden, vor allem im Vorfeld des ersten Langfilms. Dass ich den dann tatsächlich hinter mich gebracht hatte und er auch noch so gut ankam, ließ mich offensichtlich mutig werden. Jedenfalls steckte ich voller Energie und wollte einfach in die Vollen gehen.
Dabei herausgekommen ist ein brutaler, witziger Film über lesbische Bodybuilderinnen. Wie kamen Sie auf diese Idee?
Meine erste Frage ist immer: Was würde ich selbst gerne sehen? Und ich hatte nun einmal Lust auf bombastischen Spaß, pulpy und düster. Aber vor allem hatte ich die Idee, eine Geschichte über eine sehr muskuläre Frau zu erzählen. Denn das ist etwas, was man auf der Leinwand quasi nie sieht. So kam ich dann auf das Thema Bodybuilding, was nicht nur visuell, sondern auch psychologisch eine spannende, erzählerisch ergiebige Welt ist. Den eigenen Körper so zu verändern, dass er zu einer Art menschlicher Skulptur wird – das ist schon eine recht surreale Sache. Aber auch sehr archaisch und gleichzeitig wunderschön; einerseits ein Sport, andererseits eine Art Performance. Ich war mir einfach ziemlich sicher, dass es hochinteressant werden könnte, in diese Thematik einzutauchen.
Sehen Sie irgendeine Verbindung zwischen Ihren beiden Filmen?
Ich würde schon sagen, dass Maud und nun Jackie in LOVE LIES BLEEDING in gewisser Weise Schwestern im Geiste sind. Allerlei thematische Bezüge lassen sich da auf jeden Fall entdecken. In beiden Filmen geht es um Menschen, die sich und ihr Leben gestalten wollen und dabei ziemlich weit zu gehen bereit sind, weswegen sie einige moralisch fragwürdige Entscheidungen treffen. Bei beiden Filmen war meine Hoffnung außerdem, dass das Publikum auf den ersten Blick glaubt, rein gar nichts mit dem Gezeigten zu tun zu haben. Doch dass am Ende dann, aller Überhöhung und Absurdität zum Trotz, vielleicht trotzdem die Erkenntnis steht, dass da eine Nähe oder Verbindung zu der Geschichte und ihren Figuren entstanden ist.