Pamela Jahn: Herr Tykwer, Sie sind Jahrgang 1965. Inwieweit unterscheiden sich die familiären Konflikte, die Sie in DAS LICHT beschreiben, von denen, die Ihre Jugendgeneration mit den eigenen Eltern ausfechten mussten?
Tom Tykwer: Markant. Damals waren die Voraussetzungen ganz andere, weil die Kriegs- mit der Nachkriegsgeneration zusammenstieß. Dadurch sind zum Teil unüberwindbare Gräben entstanden; die Erfahrungen auf beiden Seiten haben unheilbare Wunden hinterlassen, so dass man daraus auch ein enormes dramatisches Potenzial ziehen konnte. Das Kino liefert die besten Beispiele dafür.
Worin liegt heute der Kern des Problems?
Derartige Konflikte sind immer intergenerational durch die menschliche Genese determiniert, nicht nur durch ein Abgrenzungsbedürfnis. Dazu kommt ein wachsendes Fremdheitsgefühl. Unser Blick auf das, was kommt, entwickelt sich auf eine Weise, die uns unsicher werden lässt. Wir verlieren den Zugriff, und das macht uns Angst. Dieses Unbehagen wiederum ist auch ein Trigger für Aggressionen. Und dann stehen uns da diese gelassenen, fast schon langweiligen jungen Leute gegenüber, die sagen: „Was habt ihr uns denn hier Halbfertiges hinterlassen, das uns jetzt um die Ohren fliegt. Wieso habt ihr nichts getan?“ Das ist der Vorwurf, der gerade am lautesten ist und mich am meisten bestürzt, weil ich immer versucht habe, ein sehr bewusstes und kritisches Leben zu führen.
Ist Liebe die Lösung für alles?
Der Film hat viele Themen, aber die Sehnsucht nach Verbindung und Halt ist ein zentrales Element. Dass wir zwar entfremdet und irritiert voreinander stehen, aber trotzdem nicht umhinkönnen, zuzugeben, dass wir uns auch ähnlich sind. Wir sind uns sogar näher als vorherige Generationen. Nur deshalb konnte ich mich überhaupt in diese beiden Teenager hineinversetzen, weil sie Sachen machen, die für manche Erwachsene heute genauso typisch sind. Die Leute gehen in Clubs, sie spielen Videogames. Das Alter spielt keine Rolle. Aber die Reibungspunkte sind andere und daraus entsteht ein seltsamer Streitraum.
Zu Beginn des Films fällt der Begriff „Geleit“ — was verbinden Sie damit?
Ich finde es ein schönes, leicht sakrales Wort, das Hilfe und Stütze, Sorge und Zugewandtheit impliziert. Wie eine Person, die es mir ermöglicht, über eine Schwelle zu treten. Oder meine inneren Widerstände aufzulösen. Das kann symbolisch gemeint sein, aber auch ganz konkret, wenn es um benachteiligte oder kranke Menschen geht. Hinter dem Ausdruck steht für mich ein humanistisch zugewandtes Prinzip: Wir müssen uns wieder gegenseitig finden und zusammenhalten. Das ist die Essenz.
War das Licht für Sie von vornherein die Metapher Ihrer Wahl für das Übertreten dieser Schwelle?
Ich mache Filme fürs Kino, da flackert das Licht die ganze Zeit. Es wird eine riesige Maschine gebaut, um das Irrationale zu entfesseln. Ein irrsinniger Apparat, der in Bewegung gesetzt werden muss, um dem größten Bedürfnis zu entsprechen, das wir haben, wenn wir ins Kino gehen, nämlich starke Gefühle zu erleben. Und die therapeutische Lampe, die in der Geschichte zum Einsatz kommt, funktioniert ganz ähnlich. Sie öffnet die Seelen der Menschen durch Lichtfrequenzen, wenn man so will.